Verkehrsrecht/Schadensrecht: HWS-Syndrom und Schmerzensgeld

Gem. § 253 II BGB kann derjenige, dessen Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung verletzt worden ist, "auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld fordern", das sog. Schmerzensgeld.

Die Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes gestaltet sich schwierig. Das Gesetz sagt nichts zur Billigkeit. Es sind daher stets sämtliche Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, insbesondere das Ausmaß und die Schwere der körperlichen und geistigen Störungen, die Intensität der Schmerzen und die Dauer der Beeinträchtigungen. Nach der Rechtsprechung des BGH soll für vergleichbare Verletzungen annähernd gleiches Schmerzensgeld zugesprochen werden.

Eine häufige Folge von Autounfällen sind Verletzungen der Halswirbelsäule. Beim Aufprall kommt es zu einer heftigen Beugung und Überstreckung der Halswirbelsäule. Die dadurch verursachte Fehlfunktion kann schwere und langwierige Schmerzzustände hervorrufen, das sog. Schleudertrauma oder HWS-Syndrom.

Bei nur leichten Zusammenstößen ist umstritten, ob das HWS-Syndrom überhaupt auftreten kann. Das Amtsgericht Rüdesheim hat nun in genau einem solchen Fall ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zugesprochen.

Die Klägerin saß als Beifahrerin in einem stehenden Fahrzeug, als ein PKW mit etwa 16 km/h von hinten auffuhr. Die Klägerin ließ sich wegen der Schulter- und Nackenschmerzen ärztlich behandeln. Die beklagte Versicherung lehnte das begehrte Schmerzensgeld ab und argumentierte, die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung habe nur 9 km/h betragen und damit unter der "Harmlosigkeitsgrenze" von 10 km/h gelegen.

Dieser Argumentation folgte der Richter nicht. Zwar habe die Geschwindigkeitsänderung tatsächlich nur 6,8 bis 8,1 km/h betragen, daraus folge aber nicht, dass die streitgegenständlichen Verletzungen automatisch ausgeschlossen seien. Vielmehr bedeute die "Harmlosigkeitsgrenze", dass bei einer höheren Differenzgeschwindigkeit als 10 km/h ein HWS-Syndrom üblich sei. Bei geringeren Geschwindigkeiten müssten die einzelnen Umstände des Unfalls berücksichtigt werden. Der Hausarzt der Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es vor dem Unfall keine Verletzungen gab und die nun aufgetretenen Schmerzen typische Folge eines Auffahrunfalles seien. Die Beklagte müsse daher 1.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

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